ÜBEN, ÜBEN, ÜBEN


Das tägliche Üben begleitet OrchestermusikerInnen durch ihre komplette musikalische Laufbahn. Für das Publikum nicht sichtbar arbeiten die MusikerInnen täglich an ihren Fähigkeiten, um sich fit zu halten und auf die Aufgaben auf der Bühne vorbereitet zu sein. Im folgenden Blog-Beitrag spricht Solotrompeter Wolfgang Navratil-Gerl über die viele Arbeit, über die Motivation und gibt einen Einblick in seinen Übe-Alltag. 

 

Was bedeutet Üben für dich?

Viel Arbeit. Bei jedem Wetter, wenn etwa andere auf den Berg gehen oder am See liegen, gehen wir ins Übe-Zimmer. Eine Belastung war das für mich bisher nicht allzu oft. Es hängt aber immer davon ab, wofür man übt. Je älter man wird, desto mehr kann es aber schon auch zur Belastung werden. Das Sprichwort „je älter man wird, desto mehr muss man üben“ stimmt schon in gewisser Hinsicht. Nur hat man im Alter auch dadurch Routine, dass man über lange Zeit genau beobachtet hat, wie andere üben, wie man selbst übt und wie man am besten Fortschritte macht. Und mit dieser Erfahrung versteht man auch besser, warum man mal Fortschritte oder Rückschritte macht. Und damit kann man sich das Üben gut einteilen. Man weiß einfach sehr genau, was man wann und wie üben muss, um den Ansprüchen gerecht zu werden. 

 

Wie sieht deine tägliche Übe-Routine aus?

Relativ unspektakulär. Das tägliche Üben startet vor allem mit einfachsten Übungen. Das geht von leichten Lippenbindungen über den ganzen Tonraum bis hin zu allen möglichen Übungen für die Technik. Ich persönlich muss schon viel üben, damit ich die Dinge so spielen kann, wie ich mir das vorstelle, da reden wir schon von 2-3 Stunden täglich. Das ist natürlich sehr subjektiv und kommt auch auf die Stelle an, die man innehat. Gerade als Solotrompeter ist man oft sehr präsent im Konzert und sitzt sozusagen auf dem Präsentierteller. Man hat da sowohl sich selbst und auch seinem Orchester gegenüber eine gewisse Verantwortung. Da gibt es Ansprüche, die es zu erfüllen gilt. Man will auch ernst genommen werden und sich im Vergleich mit anderen Orchestern und MusikerInnen nicht blamieren. Und je mehr man arbeitet, desto sicherer wird man auch auf der Bühne.

 

Braucht es Pausen und Regeneration, um über die Jahre hinweg fit zu bleiben?

Ein Tag Pause in der Woche zur Regeneration tut schon gut, im normalen Dienstbetrieb kommt das aber kaum vor. Neben Theaterdiensten und symphonischen Konzerten spiele ich ja auch Soloprojekte, da sollte man schon immer fit bleiben. Wenn ich Pause mache, dann maximal einen Tag, weil die Leistung sehr schnell nachlässt. Das meine ich weniger in Bezug auf die Technik, als im Hinblick auf Kraft und Ausdauer. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn einem in einem Konzert die Kraft ausgeht. Aber natürlich gibt es im Laufe eines Jahres auch eine Zeit, wo man das Instrument mal weglegt. Das braucht man auch und ich muss ehrlich sagen, dass ich diese Zeit immer sehr genieße, wenn ich nicht üben muss. 

 

Wie verändert das bevorstehende Konzertprogramm das Üben?

Wenn jetzt plötzlich eine Mahler-Symphonie vor der Tür steht, dann muss ich dafür schlichtweg Ausdauer trainieren. Das ist bei Mozart ganz anders. Üben mit Blick auf Ausdauer heißt: spielen mit wenig Pausen, langsames Üben und viel Spannung aufbauen. So funktioniert das am besten für mich. Auch weil ich versuche, immer das Gleiche zu üben. Da bekommt man einen guten Blick dafür, wie gut es funktioniert und so entwickelt man auch die Routine beim Üben, damit man für alle möglichen Herausforderungen gewappnet ist. Deshalb habe ich mir da mein eigenes Übe-Konzept zusammengestellt, von dem ich kaum abweiche. Das heißt: breit aufgestelltes und vielschichtiges Üben und nicht ständiges Wechseln der Methodik und „Durcheinander-Üben“. So hat man immer einen guten Blick auf die Form sozusagen. Die Leistung hängt aber immer mit der Disziplin zusammen. Wenn die stimmt, dann stimmt auch die Leistung. Egal, von welchen Faktoren sie ansonsten beeinflusst wird, auch in Bezug auf beispielsweise Ernährung oder Lebenswandel.

 

Übe-Routine vor einem Konzert

Vor einem Konzert reicht mir eine halbe Stunde, um mich warmzuspielen. Mir ist es trotzdem auch immer wichtig, früh genug da zu sein, um Stress zu vermeiden. Dann spiele ich mich entsprechend ein, arbeite aber auch noch einmal an kritischen Stellen. Immer langsam und sicher, um nicht vor einem Auftritt unnötig nervös zu werden. Im Grunde zerlege ich schwere Stellen immer schon über Wochen vor dem Konzert in Übungen und baue diese Teile ins Üben mit ein. Das bedeutet viele Wiederholungen, um eine Routine zu bekommen. Soweit muss man selber kommen, dass man jederzeit, ob Tag oder Nacht, bereit ist, alles spielen zu können.

 

Die Motivation zum Üben

Die Motivation zum Üben kommt durch das Streben nach einer guten Leistung. Wir bekommen für unsere Leistung Geld und sind unserem Publikum und unserem Arbeitgeber eine ansprechende Leistung schuldig. Natürlich auch einem selber. Wir können es uns eben nicht leisten, den Job allzu locker zu nehmen, weil wir einen Beruf ausüben, in dem man sich nicht verstecken kann. Die Motivation bei mir kommt vor allem aus meinem eigenen Anspruch. Ich muss das mit meinem Gewissen vereinbaren können. Dementsprechend muss die Vorbereitung so sein, dass man mit einem guten Gefühl sich selbst gegenüber auf die Bühne geht. Es kann immer vorkommen, dass etwas schief geht, aber man sollte schon das Gefühl haben, alles dafür getan zu haben, dass es klappt.

 

Kann man auch zu viel üben?

Zu viel üben kommt sicher bei vielen Musikern zeitweise mal vor. In der Zeit, als mir das passiert ist, resultierte daraus, dass ich einfach irgendwann keine Lust mehr hatte. Da habe ich mich einfach ausgepowert gefühlt und habe für einige Monate den Spaß verloren. Sowohl am Üben, als auch an Konzerten. Diese Lust auf Musik ist aber bei einigen Projekten mit KollegInnen wiedergekommen. Natürlich können auch Probleme muskulärer Natur auftreten, aber ich denke, dass das meistens eine mentale Sache ist. Im Prinzip hängt einfach vieles – wie gesagt – an der Disziplin und der Vorbereitung. Es käme auch keiner auf die Idee, untrainiert einen Marathon zu laufen. 

 

Wenn‘s mal nicht läuft…

Mein Lehrer hat immer gesagt, dass wir Töne aushalten sollen, wenn es uns schlecht geht. Das gibt einem die Möglichkeit, wertvolle Kilometer am Instrument zu sammeln. Man kann dabei unter Umständen auch mal den Fernseher einschalten. Töne aushalten, so langweilig es auch klingen mag, gibt dir die Möglichkeit, die richtige Ansatzposition zu finden. Die Lippe hat Zeit, sich anzupassen, und als Ergebnis bekommt man einen schönen Sound. 

 

Wie bearbeitet man bekanntes Material, beispielsweise Signale?

Für uns war die Wiener Schule da immer ein guter Anhaltspunkt. Das ist eine gewisse Vorstellung, die man schon im Studium mitbekommt. Ich hatte das Glück, bei Fritz Krammer, Josef Eidenberger und Hans Gansch zu studieren. Aber ich glaube, wenn man in Österreich studiert, ist es egal, wo. Da gibt es schon eine österreichische Klangtradition und davon bin ich auch ein großer Fan. In meinen jungen Jahren hatte ich auch zeitweise wenig Ahnung, was ich da so spiele. Mein Professor hat mir immer gesagt, ich solle die Stellen so spielen, wie ich sie mir vorstelle. Und durch das Aufwachsen in dieser Klangtradition war ich auch immer sehr nahe dran, wie mir das Abhören der Aufnahmen nach dem Üben oft gezeigt hat. 

 

Wie verändert sich der Übe-Alltag mit Familie und Kindern?

Die schönste Zeit kann man als Student genießen. Ich glaube, ganz oft wissen StudentInnen nicht, wie schön die Studienzeit ist. Mittlerweile ist mein Terminkalender mit Familie, Kindern und einem Haus meist ziemlich voll. Da muss man sich die Zeit schon gut einteilen, um alles abzudecken. Prinzipiell versuche ich immer, nach dem Frühstück üben zu gehen, mit Kindern im Haus funktioniert das aber mal besser, mal schlechter. 

 

Ein abschließender Tipp für zielführendes Üben

Ob Profi, Amateur oder Kinder: ich glaube, das Wichtigste ist die Disziplin, ein gut organisierter Übe-Ablauf, in dem man alle notwendigen Aspekte bearbeitet: Tonumfang, Höhe, Technik, Ton, Ausdauer, Stoß oder Lippenbindungen. Wenn es geht und die Zeit es erlaubt, baue ich immer gerne lyrische Etüden ein. Damit deckt man alles ganz gut ab. Und das wichtigste Mittel, um gut ins Üben zu starten, sind wohl Atemübungen. Dieses Ausatmen hilft immer, um auch Nervosität zu vermeiden. Mit mehr Luft wird man ruhiger, ist einem weniger schwindlig und man reichert seinen Körper mit viel Sauerstoff an. Luftübungen sind also immer eine gute Methode, um mit dem Üben zu starten.  

 


Herzlichen Dank an unseren Posaunisten Thomas Weiss für die Initiative und Umsetzung des Backstage Blogs!

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